Podiumsdiskussion "Unsere Justiz - überlastet und schlecht bezahlt"

am Dienstag, 28. Oktober 2008 im Erbacher Hof, Mainz

Richter und Staatsanwälte schlagen Alarm

Fast 400 Richter und Staatsanwälte aus ganz Rheinland-Pfalz verfolgten gestern die Podiumsdiskussion "Unsere Justiz - überlastet und schlecht bezahlt!?" im Erbacher Hof in Mainz. Mit einer derartig überwältigenden Resonanz hatte selbst der rheinland-pfälzische Richterbund als Veranstalter nicht gerechnet. Die Folge: Rund 50 Richter und Staatsanwälte verfolgten die zweistündige Diskussion im Stehen.

Mit ihrer Anwesenheit schlugen die Vertreter der Justiz Alarm, den auch die anwesenden Abgeordneten des Landtags nicht überhören konnten. Richter und Staatsanwälte in Rheinland-Pfalz arbeiten seit Jahren an der Obergrenze der Belastbarkeit.

Wie groß das Problem mittlerweile ist, lässt sich durch Zahlen belegen. Nach der neuesten Personalbedarfsberechnung des Ministeriums der Justiz fehlen im Land 91 Staatsanwälte und - allein bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit (also bei Amts- Land- und Oberlandesgerichten) - 95 Richter. Umgekehrt betrachtet: Die Zahl der vorhandenen Richterinnen und Richter in Rheinland-Pfalz reicht eigentlich nur für 88 % der jährlich anfallenden Verfahren aus. Um die Staatsanwaltschaften steht es noch viel schlimmer. Die rheinland-pfälzischen Staatsanwälte können bei normaler Dienstzeit nur 71 % der eingegangenen Verfahren bearbeiten. Mit anderen Worten: Für fast ein Drittel der Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften steht kein Personal zur Verfügung. Dieser Missstand wirkt sich bisher nur deshalb nicht zu Lasten der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger aus, weil Staatsanwälte und Richter überobligatorischen Einsatz leisten.

Im Gegensatz zur ständig steigenden Arbeitsbelastung sind die Gehälter der Richter und Staatsanwälte in den vergangenen Jahren gesunken. Durch verschiedene Einsparmaßnahmen wurde die Besoldung und Versorgung erheblich gekürzt. Es stellt sich mittlerweile - zwar nicht nur, aber auch in Rheinland-Pfalz - die Frage, ob die Alimentation der Richter und Staatsanwälte noch verfassungsgemäß ist.

Zweifel hieran ergeben sich nicht zuletzt aus dem Ergebnis einer neuen Kienbaum-Studie. Ihr Fazit lautet: Gegenüber vergleichbaren Berufsgruppen in der gewerblichen Wirtschaft fällt die Entwicklung der R-Besoldung weit zurück. Richter und Staatsanwälte sind längst von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt. Die Entwicklung ihrer Gehälter reichte in den vergangenen Jahren noch nicht einmal aus, die allgemeine Preissteigerung auch nur annähernd auszugleichen.

Mit ihrer Präsenz bei der Veranstaltung des Richterbundes in Mainz demonstrierten die rheinland-pfälzischen Richter und Staatsanwälte ihre große Geschlossenheit. Aus der Sicht des Richterbundes ist der Rechtsgewähranspruch der Bürgerinnen und Bürger in Gefahr. Hierzu gehört, die Justiz ausreichend mit Personal auszustatten ebenso wie eine ordentliche Besoldung derjenigen, die das Recht zu wahren haben.

Von der enormen Zahl der angereisten Richter und Staatsanwälte zeigte sich auch der rheinland-pfälzische Justizminister Dr. Heinz Georg Bamberger sichtlich beeindruckt. Er meinte am Ende auf dem Podium, dass die Argumente alle schon oft ausgetauscht worden seien, "aber noch nicht mit solcher Wucht."

"Die Kolleginnen und Kollegen haben heute eindrucksvoll gezeigt, wie ernst die Lage ist. Den Rechtsstaat gibt es nicht nach Kassenlage. Wer sich den Rechtsstaat auf die Fahnen schreibt, der muss ihn auch bezahlen. Wir appellieren an den an den Haushaltsgesetzgeber, dies beim kommenden Doppelhaushalt zu beherzigen, " so der Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Richterbundes.

(Presseerklärung vom 29. Oktober 2008)



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