Stellungnahme zum Entwurf einer Landesverordnung zur Übertragung von Aufgaben auf den Rechtspfleger und den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle

Der Deutsche Richterbund - Landesverband Rheinland-Pfalz - hat gegenüber dem Ministerium der Justiz am 11. Dezember 2007 folgende Stellungnahme abgeben:

Sehr geehrte Damen und Herren,


Der Landesverband des Deutschen Richterbundes nimmt zu dem vorgelegten Entwurf wie folgt Stellung:

Zu § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (Übertragung von Vormundschafts- und Betreuungssachen auf den Rechtspfleger)

Von einer Übertragung der Entlassung eines Betreuers, der Bestellung eines neuen Betreuers sowie die Bestellung eines Ergänzungs- oder Verhinderungsbetreuers in Betreuungssachen sollte Abstand genommen werden. Sie würde zu einer erheblichen Steigerung der Kosten in diesen Verfahren führen. Eine Entlastung der zuständigen Richterinnen und Richter würde nicht eintreten. Dagegen würde die Übertragung zu einer erheblichen Belastung der Rechtspfleger führen.

Denn auch vor einer Entscheidung über die Entlassung eines Betreuers, die Bestellung eines neuen Betreuers sowie die Bestellung eines Ergänzungs- oder Verhinderungsbetreuers ist der Betroffene gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 FGG zwingend persönlich anzuhören. Nach § 68 Abs. 1 S. 2 FGG soll sich das Gericht den unmittelbaren Eindruck in der üblichen Umgebung des Betroffenen verschaffen, wenn dieser es verlangt oder wenn es der Sachaufklärung dient und der Betroffene nicht widerspricht.

Die betreuungsrichterliche Praxis hat gezeigt, dass über die gesetzlichen Anforderungen hinaus Anhörungen tatsächlich in der weit überwiegenden Zahl der Verfahren ausschließlich am Aufenthaltsort der Betroffenen überhaupt möglich sind. Aufgrund ihrer Erkrankung sind die Betroffenen in der Regel nicht in der Lage, Ladungen zum Gericht Folge zu leisten. Das bedeutet, dass auch der Rechtspfleger die betroffenen Menschen nicht einfach vorladen könnte, sondern sich zu diesen begeben müsste. Zusätzlich zum "reisenden Richter" wäre dann der "reisende Rechtspfleger" - mit einer entsprechenden Steigerung der Reisekosten - geboren.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Betreuungsrichter in der Praxis aus Zeit- und Kostengründen in der Regel nicht wegen eines einzelnen Verfahrens eine Dienstreise antreten. Vielmehr warten sie ab, bis eine gewisse Anzahl von Verfahren vorliegt, bei denen Anhörungen an einem Ort erforderlich sind. Dies gilt insbesondere für Städte und die Gemeinden mit Sitz eines (Alten- und Pflege-)Heims. Wenn der Richter in einem Heim oder in einer Stadt eine größere Zahl von Anhörungen am selben Tag vornehmen kann, verbessert er das Verhältnis zwischen Reisezeit und Dauer des Dienstgeschäfts. Auf diese Weise spart er Zeit und - insbesondere auch - Reisekosten zugunsten der Staatskasse. Hierunter fallen auch die Verfahren, in denen es "nur" um die Bestellung eines neuen Betreuers sowie die Bestellung eines Ergänzungs- oder Verhinderungsbetreuers geht. Nimmt man diese Verfahren aus der Zuständigkeit des Richters heraus, entfällt der Einspareffekt.

Berücksichtigt man auch, dass die Fälle der Bestellung eines neuen Betreuers sowie die Bestellung eines Ergänzungs- oder Verhinderungsbetreuers im Vergleich zu den Fällen der erstmaligen Bestellung eines Betreuers nur einen geringen Bruchteil der erforderlichen Anhörungen ausmachen, ergibt sich daraus, dass

  • die Entlastung des Richters kaum messbar ist,

  • der Rechtspfleger im Gegensatz zum Richter nicht abwarten kann, bis eine Anzahl von Anhörungen an einem Ort erforderlich sind, sondern wegen einzelner Verfahren Dienstreisen antreten muss, was die Reisekosten beträchtlich erhöht, und

  • die zeitliche Belastung des Rechtspflegers weit über die Entlastung des Richters hinaus geht

Auch sprechen alle betreuungsrechtlichen Gesichtspunkte gegen eine Übertragung auf den Rechtspfleger. Der Richter, der sich - wie bereits dargestellt - ohnehin einen persönlichen Eindruck von den betroffenen Menschen und deren Umgebung zu verschaffen hat, kann auf Grund dessen auch über die Auswahl einer neuen Betreuungsperson oder eines Ergänzungs- oder Verhinderungsbetreuers entscheiden. Bleiben diese Entscheidungen in einer Hand, kann auch eine optimale betreuungsrechtliche Regelung "aus einem Guss" gewährleistet werden. Diesen betreuungsrechtlichen Vorteil des derzeitigen Verfahrens aufzugeben, wäre unseres Erachtens ein klarer Rückschritt.

Die theoretische Annahme, dass die Bearbeitung der übertragbaren Geschäfte durch den Rechtspfleger durchschnittlich genauso lange dauern würde, wie die Bearbeitung durch den Richter, ist falsch. Der Richter kann die Entscheidung über die Auswahl eines neuen Betreuers, eines Verhinderungs- oder Ergänzungsbetreuers auf die durch ihn vorab ohnehin getätigten eigenen Ermittlungen stützen. Ihm liegen die auch für diese Entscheidung erforderlichen Informationen vor. Dagegen müsste sich der Rechtspfleger sowohl aus den Akten als auch durch eigene weitere Ermittlungstätigkeit sowie die persönliche Anhörung diesen Informationsstand erst erarbeiten. Die Bearbeitungszeit für das jeweilige übertragbare Geschäft durch den Rechtspfleger würde sich auch aus diesem Grund im Verhältnis zur Bearbeitung durch den Richter vervielfachen.

Zu § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 (Übertragung von Handels- und Registersachen auf den Rechtspfleger)

Von der Übertragung der Zuständigkeit für die Verfahren in Abteilung B des Handelsregisters auf den Rechtspfleger sollte abgesehen werden. Die bisher dem Richter vorbehaltenen Eintragungen im Handelsregister B haben konstitutive Wirkung mit weit reichenden Folgen. Grundlage der Entscheidung ist eine sorgfältige materielle rechtliche Prüfung auch unter Abwägung teilweise widerstreitender Interessen. Auf der einen Seite steht das Interesse der Gesellschaft an einer zügigen Eintragung aus wirtschaftlichen Gründen. Auf der anderen Seite sind Schutzinteressen Dritter zu berücksichtigen, wie etwa Gläubigerschutzrechte, Rechte außenstehender Aktionäre oder Arbeitnehmerrechte. Durch die konstitutive Eintragung werden rechtliche Tatsachen geschaffen. Die Entscheidung setzt eine umfassende juristische Schulung mit wirtschaftlichen Bezügen voraus.

Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden Bedenken sollten etwaige verfahrensökonomische Vorteile einer Bearbeitung durch den Rechtspfleger hintangestellt werden. Zudem ist zweifelhaft, ob eine Zuständigkeitsverlagerung überhaupt einen effektiven Nutzen bringen würde. Die Ausführungen hierzu im Entwurf vermögen nicht zu überzeugen. Wenn dort von einer "Straffung der Ablauforganisation und der Effizienzsteigerung" gesprochen wird, handelt es sich dabei lediglich um Behauptungen, die inhaltlich in keiner Weise untermauert sind.


Zu § 2 (Übertragung von Aufgaben auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle)

Es sollte davon abgesehen werden, von der Öffnungsklausel in § 36 b RpflG‚ Gebrauch zu machen. Ein wesentlicher Organisationsgewinn wäre nicht zu erwarten. Selbst nach der Entwurfsbegründung (Seite 2) sind die übertragbaren Aufgabenbereiche weder konkret ermittelbar noch seriös zu schätzen, weil eine gesonderte statistische Erfassung nicht erfolgt. Finanzielle Einsparungen sind auch nach der Begründung des Entwurfs nicht zu erwarten.

Es stellt sich hier die grundsätzliche Frage, welchen Sinn eine Reform macht, die keinerlei Nutzen bringt, bestenfalls zu Problemen zu Beginn der Umstellung führt. Eine Reform um der Reform Willen erscheint uns wenig sinnvoll und sollte unterbleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Edinger

Vorsitzender


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